Mein Burnout

Kontext

Im Oktober 2023 saß ich bei meiner Hausärztin im Warteraum und hatte das Gefühl, dass meine ganze Welt Kopf stand. In einem Gespräch mit meiner Ärztin sah sie mich voller Sorge an: “Frau Kim, ich habe Sie noch nie in diesem Zustand gesehen. Ich schreibe Sie krank, auch wenn sie weiter arbeiten möchten. Ich verstehe, dass Sie sich sorgen um ihre Arbeit machen, aber als meine Patientin mache ich mich Sorgen um Sie” Im Dezember 2023 startete meine Therapie für Überbelastung und Burnout.


Irgendwie ist mir alles gerade ein bisschen zu viel: ein bisschen zu viel Lärm, ein bisschen zu viel Arbeit, ein bisschen viel zu tun. Mein Teller wartet schon gierig seit 7 Tagen in der Abwasch, endlich in den Geschirrspüler gestellt zu werden. Ich sollte vorher noch die gröbsten Krümel entfernen. Das schaffe ich aber nicht.

Das ist mir irgendwie zu viel.

Letztens hatte ich den Supermarkt verlassen, ohne mir etwas zu kaufen. Ich war frustriert, weil ich mich nicht mehr daran erinnern konnte, was ich mir kaufen wollte. Also stand ich da in einem Supermarkt und weinte. Ich verließ ihn, ohne mir etwas zu kaufen.

Ich brauchte eine Packung Milch.

Ich kann mich nicht mehr an die letzte Nacht erinnern, in der ich nicht schon um 3 Uhr morgens wach im Bett lag und nicht mehr wieder einschlafen konnte. Ich träume seit Wochen nicht mehr, weder im Schlaf noch in der Realität. Meine Kreativität hat mich verlassen, meine Motivation ist auf halber Strecke, in diesem niemals endenden Marathon, liegen geblieben und ich starre schon seit 30 Minuten auf einen schwarzen Bildschirm und lese diesen Satz zum fünften Mal, und lese diesen Satz zum fünften Mal, und lese diesen Satz zum fünften Mal, und lese diesen Satz zum fünften Mal, und lese diesen Satz zum fünften Mal.

Das ist mir irgendwie zu viel.

Ich weine schon wieder. Gestern hatte ich auch geweint. Ich weiß gar nicht mehr warum. Was hatte ich gestern gemacht? Vorgestern? Letzte Woche? Ich kann mich nicht erinnern. Ich weine schon wieder. Ich habe mich noch nie so klein gefühlt. Ich bin mir sicher, dass meine Kolleg:innen denken, dass ich das alles nicht mehr packe, dass ich schwach bin, dass ich nicht für diesen Job geeignet bin. Ich habe Angst, nicht mehr zurück zur Arbeit kehren zu dürfen. Wie soll ich mir mein Leben leisten?

Ich kann es mir nicht leisten, krank zu sein. Krank zu sein ist teuer. Ich bin ja auch nicht krank. Ich bin nur etwas müde und das schon seit einem halben Jahr. Aber es ist doch für alle etwas viel, oder?


Oh, ich bin heute also kurz ohnmächtig gewesen und wurde heim geschickt.


3 Tage später saß ich wieder an meinem Arbeitsplatz, mittlerweile mit Kopfschmerzen. Ich weine immer noch. Ich denke nicht, dass ich okay bin.


Ich gestand mir endlich ein, dass ich Hilfe brauchte. Ich schämte mich, denn in meinem Kopf hatte ich bis dato alles alleine bewältigen müssen. Ich hatte Glaubenssätze, die mich krank machten.

Nach meiner ersten Therapiesitzung rief ich meinen Bruder an: “Hi, kannst du mir beim Geschirrwaschen helfen?” Das war der erste Schritt, den ich wagte, für mich selbst zu sorgen, indem ich Hilfe zuließ. Es ist schön zu helfen und genauso schön, sich helfen zu lassen.

Ich kann das nicht alles allein und das ist okay.

Heute gehe ich ganz anders mit Arbeit und Leistungsdruck um. Manchmal suchen mich alte Muster noch heim, aber auch nach ein paar unruhigen Nächten weiß ich, dass ich meine Grenzen schützen darf und Nein sagen kann. Nein zu zu viel Arbeit, nein zu zu viel Lärm, nein zu “Das ist mir alles zu viel”

Stattdessen sage ich mittlerweile viel mehr JA zu Dingen, die mir Freude bereiten, zu Menschen, die meinen Energietank auffüllen und Abenteuer, die mich herausfordern und mich wachsen lassen.

BE BOLD,

Soso

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